Max Lang und mein Berufseinstieg im Stadttheater St. Gallen

guylang —  21. Februar 2013 — Leave a comment

Dr. Walter Boris Fischer, Dramaturg und Regisseur

«In diesen Februartagen 2013 sind es über 45 Jahre her, dass ich in der Spielzeit 1967/68 mein erstes Engagement als Dramaturg und Regisseur am Stadttheater in St. Gallen angetreten habe: Im Haus «am Bohl», am Marktplatz, beim ehemaligen Katharinenkloster.
Zu meinen ersten Begegnungen in St. Gallen gehörte das Zusammentreffen mit dem Musiker Max Lang, ein Zusammentreffen, das zur positivsten Begegnung meines Berufseinstiegs in der Ostschweiz werden sollte.

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Max Lang war 1967 Operndirigent und musikalischer Oberleiter des Theaters. In dieser Funktion führte er in der Spielzeit 1966/67 zusammen mit dem Schauspiel­regisseur Siegfried Meisner und dem Dramaturgen Bernhard Enz interimistisch das Haus. Die älteste Berufsbühne der Schweiz stand damals vor einem doppelten Neubeginn: Am Stadtgarten wurde ein neues Theater (Architekt: Claude Paillard) erbaut und dann am 15. März 1968 eröffnet. Und mit der Spielzeit 1967/68 sollten der neue Direktor, Christoph Groszer, und mit ihm der kaufmännische Leiter Oskar Fritschi das Theater übernehmen. Ich selbst trat mein Engagement bereits anfangs März an, als eine Art Vorhut, während Christoph Groszer erst noch seine Direktion im Landestheater Tübingen beenden musste.

Von unserem ersten Zusammentreffen an hat mir Max Lang das Gefühl gegeben, im Stadttheater St. Gallen willkommen zu sein. In Basel aufgewachsen, kam ich nach dem Studium in Wien als unerfahrener Dramaturg in eine Stadt, wo ich keinen Menschen kannte. Max Lang und seine Basler Vergangenheit – er erhielt seine Musiker-Ausbildung in Basel – sorgten dafür, dass ich mich hier sofort heimisch fühlte, nicht zuletzt auch deshalb, weil er grosses Verständnis für meine Arbeit als Dramaturg und Regisseur zeigte. In meiner ersten Zeit war er mir ein wichtiger Mentor, der mich ermutigte, wenn ich meiner Sache nicht sicher war. Und weil auch Premierenfeiern zum Theater gehören, denke ich gerne daran, wie Max Lang und seine Frau Monique mir und meiner Frau den Zugang zu diesen Anlässen erleichtert haben.
Ich empfand es immer als etwas Besonderes, mit welchem Verständnis der Musiker Lang dem Schauspiel und meiner Arbeit in dieser Sparte begegnete. Weshalb dies so war, wurde mir erst klar, als ich erfuhr, dass Max Lang von 1946 bis 1951 als musi­kalischer Leiter und Hauskomponist am Zürcher Schauspielhaus tätig gewesen war. Damit erklärte sich einerseits sein Verständnis für meine Arbeit, bildete auf der anderen Seite aber auch eine Voraussetzung, in St. Gallen das Stadttheater als Mitglied eines Triumvirats interimistisch zu leiten.

An ein anekdotisch anmutendes Ereignis, an eine Unterbrechung des Theateralltags, erinnere ich mich besonders gerne. Wegen der Erkrankung einer Sängerin sollte an einer Samstagsvorstellung die Zweitbesetzung deren Partie übernehmen. Nur, diese Zweitbesetzung war nirgends aufzutreiben, bis wir – Christoph Groszer, Max Lang und ich waren am Samstag im Theater – feststellten, dass sie ohne Urlaubschein nach Wien zu ihrem Freund gefahren war. Dort haben wir sie erreicht und ihren Rückflug in die Schweiz organisiert. Nur, der Flug sollte zur gleichen Zeit in Kloten landen, zu der der Vorstellungsbeginn in St. Gallen angesetzt war. Was tun? Wir liessen Teamarbeit spielen. Ich, der Dramaturg, fuhr mit einem Taxi nach Zürich, holte die Sängerin am Rollfeld per Sondergenehmigung ab und machte mich mit ihr auf den Weg zur Autobahn. Im Taxi zog sie das Kostüm an und schminkte sich. In der Zwischenzeit hatte in St. Gallen der Direktor für das wartende Publikum eine Führung hinter die Kulissen des Theaters organisiert, und eine kleine Formation des Orchesters spielte im Foyer zum Tanz auf. Unterdessen postierte sich der musika­lische Oberleiter Max Lang mit seinem Wagen kurz vor St. Gallen an einer Autobahnausfahrt und gab nach der Vorbeifahrt des Dramaturgen mit der Sängerin dem Theater telefonisch das Zeichen zum Beginn der Ouvertüre. Dem Publikum und den Akteuren auf und hinter der Bühne blieb dieser Abend lange in Erinnerung; er hätte leicht zum Fiasko werden können.

In meiner St. Galler Zeit habe ich auch Guy, einen Sohn von Monique und Max Lang kennengelernt. Er war ein Teenager, stand einige Jahre vor der Matur und war sehr an Theater interessiert. Jahre später, sind wir uns ab 1988 dann und wann im Schauspielhaus Zürich begegnet. Ich war Besucher, und Guy hat als Kulturjournalist Kritiken geschrieben. Es ist ein Zufall, dass ich später mein Büro im gleichen Haus einrichtete, in dem Guy’s Frau Sonja ihr Reisebüro «Women Travel» führte und noch führt. So haben sich für meine Frau Maja und mich ganz selbstverständlich erste Reisebüro-Kontakte zu Sonja ergeben. Nach längerer Zeit erst haben wir die Verbindung zischen Sonja Müller Lang und Guy Lang erkannt. Diese Erkenntnis führte in der Folge zu schönen Kontakten zwischen den beiden Ehepaaren.
Der Kreis hat sich geschlossen.»

Dr. Walter Boris Fischer war von 1967 bis 1972 als Dramaturg und Regisseur am Stadttheater St. Gallen tätig. Heute lebt er als Kulturberater in Zürich.

 

 

 

 

 

 

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